Leseprobe Spezial

Gepostet am 04 Juli 2022 von Peace ofLand

In ihrem Buch  „Die Systemwandler“ schreibt Isabel Batista über einen zauberhaften Ort, den sie „Stückchen Eden“ nennt. Eigentlich redet sie jedoch vom Peace of Land.

„Die Systemwandler“ ist eine Roman-Reihe, die Dich in die bunte und hoffnungsvolle Welt des sozio-ökologischen Wandels begleitet. Der erste Band legt den Schwerpunkt auf Ernährung und Landwirtschaft.

Wir haben die Ehre, euch einzuladen, hier das Kapitel 5 aus aus dem Buch zu lesen. Es geht um den paradiesischen Garten, in den Isabel Inspirationen aus dem Peace of Land eingeflochten hat. Genießt den Rundgang!

Leseprobe: Kapitel 5

„Ein wahres Paradies, das ihr hier geschaffen habt“, sagte Kerstin und legte ihren Kopf in den Nacken, um die Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht scheinen zu lassen. Mit ihren Worten übertrieb sie nicht. Der Ort trug den Namen „Stückchen Eden“ und war wirklich paradiesisch. Rotkehlchen, Amseln und Meisen zwitscherten ihre Liedchen, Wildbienen und andere Insekten summten in der Luft. Zwei Schmetterlinge zirkelten werbend umeinander herum, nur einen Meter von ihnen entfernt. Viele verschiedenartige Beete breiteten sich zu ihren Füßen aus. Darauf wuchsen Gemüsepflanzen, Kräuter und wilde Blumen. Sowohl die menschlichen Bedürfnisse wurden hier erfüllt als auch die der Bienen und Käfer.

„Der Fuchs, der hier regelmäßig einkehrt, würde das wahrscheinlich auch als Paradies bezeichnen“, gab Nadine, die junge Frau, die sie auf dem Gelände herum- führte, zurück. Ihr kugeliger Bauch verriet, dass sie ein neues Leben in sich trug. An diesem fruchtbaren Ort mitten in der Stadt wirkte das wie eine Offenbarung.

„Ein Fuchs?“, fragte Melanie begeistert. Die Freundin von Lara hatte sich dem Ausflug von Mutter und Tochter angeschlossen und war nun ganz aus dem Häuschen. Kerstin war während ihrer Recherchen auf den Gemein- schaftsgarten im Berliner Norden gestoßen, der mit einerMethode namens Permakultur eine vielfältige Oase inmitten einer Wohnsiedlung geschaffen hatte. Kerstin hatte diesen Begriff zuvor noch nie gehört, doch in- zwischen wusste sie, dass das Prinzip Permakultur, das sowohl im Garten als auch in der Landwirtschaft ange- wandt werden konnte, natürliche Ökosysteme nachahmte. Der vollkommene Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger war dabei eine Selbstverständlichkeit. Gearbeitet wurde im Einklang mit der Natur, nach den Gesetzen der Natur.

„Der Fuchs steht auf die Mäuse, die ständig an unseren Erdbeeren knabbern“, erklärte Nadine.

„Mäuse gibt es hier auch? Ist das nicht ein riesiges Problem?“, fragte Kerstin alarmiert. „Verliert ihr viel Ernte an die Viecher?” Sie wollte sich hier Ideen für den eigenen Garten holen. Doch auf Nager und andere Nahrungskonkurrenten hatte sie nun wirklich keine Lust. „Wie werdet ihr sie denn wieder los?”

„Durch den Fuchs.“ Nadine musste lachen, als sie Kerstins verdutztes Gesicht sah. „Wir versuchen hier alles im Gleichgewicht zu halten. Natürlich könnten wir auch Fallen gegen Mäuse aufstellen oder Mittelchen zusam- menbrauen, um unsere Blattlauspopulation in Schach zu halten. Da gibt es auch natürliche Mittel, es muss also keine Chemie sein. Doch wir setzen lieber darauf, die Natur für uns arbeiten zu lassen. Wir schaffen gute Be- dingungen für die Nützlinge, damit sie sich hier ansiedeln und eine Überpopulation an Schädlingen verhindern.“

page6image3928167776

„Das klingt irgendwie passiv“, sagte Kerstin. „Ihr hofft also das Beste und lasst die Dinge einfach laufen?”

„Nein, das auch wieder nicht. Unser Marktgarten hier zum Beispiel ist gut durchdacht.“ Die junge Frau wies auf die verschiedenen Beete, die kreuz und quer angelegt und jeweils immer nur ein oder zwei Meter lang waren. „Hier stehen Pflanzen zusammen, die ein kleines Ökosystem bilden und sich gegenseitig unterstützen. Auf diese Weise produzieren wir auf kleiner Fläche viele verschiedene Gemüsesorten.“

Die kleine Gruppe von Frauen setzte ihre Tour zwischen den Beeten fort. Auf den schmalen Wegen konnten sie nur hintereinander laufen, dafür federte der dichte Bewuchs mit Weißklee jeden ihrer Schritte sanft ab. Das Gehen fühlte sich hier ganz anders an, als auf den typischen asphaltierten Wegen, auf denen sie täglich in der Stadt unterwegs waren.

Nadine erklärte weiter: „Was wie ein ungeplantes Durcheinander aussieht, haben wir ganz genau geplant. Wir stellen Pflanzen zu Gilden zusammen, die sich dann gegenseitig unterstützen.“

„Gilden?“, Lara rief von ganz hinten hinein, weil sie wohl dachte, sich verhört zu haben.

„Ja, so heißt es, wenn man bestimmte Pflanzen am selben Ort vergesellschaftet. Die wahrscheinlich be – kannteste Form der Gilde ist das ‚Drei-Schwestern-Beet‘: Bohnen, Kürbis und Mais.“ Nadine wies in eine bestimmte Richtung des Gartens. „Das haben wir für dort hinten geplant. Noch ist es zu früh für die Pflanzung, aber wenn dann alles gedeiht, werden die Bohnen Nährstoffe für Mais und Kürbis verfügbar machen, der Mais dient als natürliche Bohnenranke und die großen Blätter des Kürbis verschatten den Boden, so dass er schön feucht und nährstoffreich für die anderen Pflanzen bleibt.“

„Du kennst dich ja ziemlich gut mit allem aus. Bist du Landschaftsgärtnerin?“, fragte Kerstin neugierig.

Nadine lachte herzhaft. „Ne, ich bin Krankenschwester in einem kleinen Krankenhaus für Augenheilkunde.“

„Woher hast du dann das ganze Wissen?”

„Zuerst habe ich viel darüber im Internet und aus Büchern gelernt und schließlich einen Permakultur-Kurs gemacht. Hier im ‚Stückchen Eden‘ veranstalten wir regelmäßig Anfängerkurse oder auch Kurse über spezielle Dinge wie Baumschnitt oder Kompostieren.“ Sie drehte sich zu ihren Begleiterinnen um und lächelte. „Doch das meiste habe ich durch Experimentieren und Beobachten gelernt. Das bleibt auch am besten hängen.“

„So einen Kurs übers Kompostieren sollten wir auch mal machen, Mama“, rief Lara. „Zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.“

„Kann ich nur empfehlen“, sagte Nadine. „Auf diese Weise kann man eine Menge wertvoller Rohstoffe zurück in den Kreislauf der Natur bringen.“

Sie stapften weiter auf dem bewachsenen Weg entlang. Zu dieser Jahreszeit sah man überwiegend nackte Erde und kleine Pflanzensetzlinge auf den Beeten. Überall steckten Holzschilder in der Erde, auf denen die Namen der Pflänzchen standen, die hoffentlich bald zu ihrer vollen Pracht heranwachsen würden, wie Salat, Bohnen, Kartoffeln, Mangold und viele mehr.

„Wie viele Menschen kann man denn von so einer Fläche ernähren?“, fragte Kerstin, plötzlich nachdenklich geworden. Ihr stand zwar nicht der Sinn danach, sich voll- ständig aus ihrem Garten zu ernähren, denn das bedeutete sicher auch eine Menge Arbeit, doch es interessierte sie schon, wie viel Fläche für ihre ganz persönliche Ernäh- rung nötig wäre. Auch das war ja schließlich eine Zahl, die auf ihren ökologischen Fußabdruck Einfluss nahm.

„Man sagt, dass etwa zweitausend Quadratmeter be- nötigt werden, um einen Menschen zu versorgen. Da gibt es ein nettes Experiment hier in Berlin, den sogenannten ‚Weltacker‘, der zeigt, was auf dieser Fläche alles wachsen kann. Neben Lebensmitteln beinhaltet die Fläche aber auch Rohstoffe für Kleidung, Brennmaterial und Medizin.“

Gemeinsam lief die kleine Gruppe vom Hochbeet an verschiedenen Kübeln vorbei zum gefüllten Kartoffelsack, vorbei an einer Bank, einem Tisch und kam zu einem Rankgitter, das sich plötzlich vor ihnen in den Himmel aufrichtete. Daran würden die jetzt noch kleinen Bohnen- pflänzchen schon bald weit hinauf streben.

Immer wieder drohten sie gegen etwas zu laufen, weil sie mit großen Augen die vielfältigen Pflanzen bestaunten. Kaum ein Stück war ungenutzt oder nur von Gras bedeckt. In einer Ecke stand ein Folientunnel für die empfindlicheren Pflanzen wie Tomaten und Gurken. Auf einer künstlichen Anhöhe entdeckten sie einen kleinen Teich, in dem essbare Wasserpflanzen wie Schlangenknö- terich und Brunnenkresse wuchsen. Sogar zwei Bienen- stöcke entdeckte Kerstin nahe einer bunt blühenden Wiese aus Ackersenf, Mohn und Kornblumen, die die Bienen fleißig umschwirrten.

„Ist es Absicht, dass hier alles so chaotisch und durcheinander ist?“, fragte Kerstin.

Nadine sah sie amüsiert an. „Eigentlich ist es gar nicht chaotisch, sondern gut durchdacht. Diese Vielfältigkeit ist nur etwas ungewohnt für unser Auge. Hier geht es abwechslungsreicher zu als in einem typischen Garten, wo alles symmetrisch und fest abgesteckt angeordnet ist.“

„So wie in unserem Garten“, warf Lara mit strenger Miene ein. „Da ist es sehr symmetrisch.“

Kerstin musste zugeben, dass es in ihrem Garten vielleicht etwas zu ordentlich war. Den größten Raum nahm der gepflegte, grüne Rasen ein, auf dem kein Wildkraut wachsen durfte und der immer auf sechs Zentimeter Höhe getrimmt war. Darauf achtete Max penibel. Jeden Sommer stutzte er ihn, als ginge es um einen zu gewinnenden Wettbewerb. Nichts weiter war der Rasen als ein grüner Teppich, nur statt ihn zu saugen, mähte man ihn. Diese wertvolle Zeit wäre besser in Ausflüge mit der Familie investiert.

„In einem strukturreichen Garten wie diesem hier“, erklärte Nadine und drehte sich zu ihrer Gefolgschaft um, „fühlen sich Wildtiere sehr viel wohler, denn sie finden Unterschlupf vor Fressfeinden, ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot, Nistmaterial und einen Unterschlupf für die Aufzucht ihrer Jungen.“

Dagegen verliefen die Beete in Vogts Garten hübsch ordentlich an der Grundstücksgrenze entlang und waren überwiegend mit Ziergehölzen und Blumen bestückt. Kerstin freute sich zwar jedes Jahr aufs Neue über die sprießenden Tulpen und Krokusse in ihrem Garten, die im Frühling ihre Köpfe aus dem Boden streckten und hübsche Farbtupfer in die Beete brachten. Doch jetzt musste sie sich eingestehen, dass sie den Fokus rein auf Optik gelegt hatte, statt die Natur und das vielfältige, bunte Leben in ihre Welt einzuladen.

„Die Permakultur ist auch in anderer Hinsicht sehr wertvoll”, sagte Nadine, „denn sie lehrt uns, wie wir die Beziehungen zwischen den einzelnen Bausteinen nutzen können. Das nennt man systemisches Denken. In einem System hat alles seine Funktion, auch das, was wir in unserer Schubladendenkweise als schädlich oder bestenfalls als nicht nützlich wahrnehmen.“

Kerstin sah in den Gesichtern der Mädchen, dass sie von der Idee, die Dinge als System zu betrachten, angetan waren.

„Wie lernt man denn systemisch zu denken“, fragte ihre wissbegierige Tochter.

Nadine lächelte Lara herzlich an. „Indem man die Natur beobachtet.“ Sie zeigte auf einen Baumstumpf. „Setz dich ganz still irgendwo hin und beobachte für mindestens eine Viertelstunde, was um dich herum passiert. Du wirst fantastische Dinge entdecken, und wie alles um dich herum tanzt.“ Sie lächelte selig. „Ich mache das ganz oft. Einmal hat sich mir ein Vogel genähert und neugierig nachgesehen, was ich da mache. Das war richtig magisch. Wir Menschen hetzen so durch den Alltag, dass wir nicht nur sehr viele schöne Dinge übersehen, sondern sie oft auch vertreiben, bevor sie dicht genug an uns heran- kommen können. Wenn wir gut zuhören, dann erkennen wir Zusammenhänge und dass wir selbst ein Teil des Ganzen sind. Die Beziehungen zwischen den Teilen sind dabei viel wichtiger als die Teile selbst. Diese Art zu denken ist uns leider verloren gegangen, aber wir können sie wieder lernen.“

Lara und Melanie sahen sich an, in ihren Blicken lag Neugier. Sie nickten sich in stummem Einverständnis zu und Lara sagte: „Ihr könnt ja noch weiterlaufen. Wir setzen uns mal hin und lauschen ein bisschen der Natur.“

Nadine nickte. „Ja, macht das ruhig.“ An Kerstin gewandt sagte sie: „Dann zeige ich dir inzwischen unser Juwel.“

„Juwel?“, fragte Kerstin erstaunt, folgte dann aber schnell der unerwartet flinken Nadine. Sie gelangten durch einen dicht bewachsenen Zugang zur anderen Seite des Grundstücks, während Lara und Melanie zwischen den Beeten zurückblieben. Kerstins Blick fiel hier als erstes auf die kleinen Bäumchen, die offenbar erst vor Kurzem gepflanzt worden waren, denn an den dünnen Zweigen hingen noch die Schildchen, die über Art und Herkunft informierten: Kirsche, Maulbeere, Pflaume, Apfel. Alle aus heimischen Baumschulen.

„Ist das eine Streuobstwiese?“, fragte Kerstin und wusste, dass sie damit ihr spärliches Wissen über das Gärtnern ausgeschöpft hatte. Doch sie wurde enttäuscht, denn ihre Vermutung traf nicht zu.

„Nicht ganz“, sagte Nadine, „das ist unser Waldgarten. Den nennt man auch Agroforst.“

Kerstin blickte zerknirscht, weil sie nicht verstand, was Nadine ihr hier zeigen wollte. Von einem Waldgarten oder Agroforst hatte sie nie zuvor etwas gehört.

„Wir ahmen hier die Struktur eines natürlichen Waldes nach“, erklärte Nadine. „Den muss man schon ein bisschen im Voraus planen, denn so ein Wald besteht ja aus Bäumen, die etwas Zeit brauchen, um richtig groß zu werden.“ Sie wies auf die abgesteckten Flächen, die durch das Wachstum von Bäumen und Sträuchern bald einen Wald bilden würden. „In einem normalen Wald sind das Kiefern, Eichen, Birken, wir hier pflanzen aber nur Bäume, die man beernten kann, zum Beispiel Obst- und Nussbäume. Darunter wachsen Sträucher.“ Sie zeigte mit der Hand in der Luft die unterschiedlichen Ebenen, aus denen ein Wald bestand. „Ganz unten findet sich die Unterpflanzung aus Kräutern und Gräsern. Jede Schicht hat ihre Zeit im Zyklus der Natur. Solange die großen Bäume im Frühjahr noch kein Laub tragen, nutzen die Pflanzen der unteren Schichten das Sonnenlicht aus, um zu gedeihen. So wie in einem echten Wald.“

„Und welchen Vorteil hat das gegenüber einem ganz normalen Garten?”

Nadine ließ sich auf einem bereitstehenden Plastikstuhl nieder und bot Kerstin den Platz auf dem zweiten Stuhl an.

„Ein Waldgarten nutzt den zur Verfügung stehenden Raum sehr viel besser als Beete und Felder. Es wird in mehreren Ebenen gegärtnert. So eine Anlage ist auch gut geeignet für die Landwirtschaft.” Sie machte eine kurze Pause, um durchzuatmen. „Wir experimentieren hier damit, um herauszufinden, ob dem Waldgarten die Zukunft gehören könnte. Schließlich gilt er als das produktivste Landnutzungssystem der Welt.“ Sie klang richtig begeistert. „Das heißt, man kann hier auf kleinster Fläche sehr viele Nahrungsmittel anbauen und ernten. Nur Ozeane sind noch produktiver.“

„Spannend!“, stellte Kerstin staunend fest. „Das könnte also das Ernährungsproblem lösen.“

Nadine seufzte. „Ja, vielleicht. Noch sieht man nicht viel davon, denn wir sind erst im Aufbau“, sagte sie. „Wir haben im letzten Winter die Bäume gesetzt, die du hier sehen kannst. Das ist quasi die erste Schicht des Waldes, die auch am längsten braucht, um letztlich eine Ernte zu bringen. Die Unterpflanzungen haben wir gleichzeitig angepflanzt; sie bringen schon viel früher eine Ernte. Aber vielleicht werden wir den Waldgarten nie in seiner vollen Pracht erleben.“

Erstaunt blickte Kerstin ihre Gartenführerin an. „Wieso? Weil die Bäume so lange brauchen, um zu wachsen?”

„Das auch“, gab Nadine zurück, „aber eigentlich geht es eher um diesen Ort an sich. Wir haben das Gelände nur für eine zweijährige Zwischennutzung erhalten. Das war vorher ein ungenutztes Brachgelände. Doch es ist groß genug, um darauf etwa ein Hochhaus oder einen großen Parkplatz für die Nachbarschaft zu bauen. Sobald jemand seinen Anspruch darauf anmeldet, könnte das hier alles wieder verschwinden.“ Die junge Frau sah bedrückt aus. Obwohl Kerstin das erste Mal hier war, zog sich ihr Magen zusammen. Die Vorstellung, dass dieses paradie- sische Kleinod unter einem Parkplatz verschwinden könnte, stimmte sie traurig.

„All die Arbeit, die ihr hier reingesteckt habt, wäre umsonst gewesen?“, fasste sie tonlos zusammen. „Das wäre wirklich furchtbar. Es ist so wunderschön hier.“

„Nichts ist für die Ewigkeit“, gab Nadine zurück. „Und die Natur muss als erstes weichen.“

Nach einer kurzen Verschnaufpause erhob sie sich wieder und blickte Kerstin ernst an. „Aber wir sind in Verhandlungen, diesen Ort für die Zukunft zu sichern. Er ist wichtig für die Wissensvermittlung von Permakultur und einer ökologischen Lebensweise. Für uns alle.“

„Genau das war mein Antrieb hierher zu kommen“, sagte Kerstin. „Ich möchte mit meiner Tochter in unserem Garten Gemüse und Obst anbauen, damit unser ökolo- gischer Fußabdruck noch kleiner wird. Momentan finde ich es schwierig, genau zu wissen, welche Früchte gerade Saison haben. Das ändert sich hoffentlich, wenn wir selbst einmal einiges angepflanzt haben.“

„Ich kann dir versichern, dass sich euer Wissen damit wie selbstverständlich aufbaut“, bestätigte Nadine Kerstins Vermutung.

Sie waren nun wieder an dem einstöckigen Häuschen angekommen, das direkt am hölzernen Eingangstor stand. Es war noch nicht komplett ausgebaut, nur einige Räume waren fertig, darunter eine offene Küche.

„So, das war unser kleiner Rundgang“, sagte Nadine, „du hast jetzt alles gesehen.“

Kerstins Blick fiel auf die Hochbeete, die sie schon beim Betreten des Geländes bemerkt hatte. Sie standen schräg, quer und durcheinander, so wie die Beete in der Marktgärtnerei.

„Wie schwer ist es, so ein Hochbeet zu bauen?“, fragte Kerstin unvermittelt.

„Das ist sehr einfach. Du brauchst bloß Holz, Schrauben und gutes Werkzeug. Den Bauplan kannst du dir aus dem Internet ziehen“, sagte Nadine. „In der Permakultur werden gerne Dinge weiterverwendet, die sonst auf dem Müll landen oder im Keller verrotten würden. Deshalb ist für den Bau von Hochbeeten die Weiternutzung von Bohlenbrettern aus dem Gerüstbau ganz gut geeignet. Auf den Baustellen schmeißen sie die nach einer Weile weg, aber die Dinger sind eigentlich noch ganz brauchbar. Bekommt man auch online, falls man keine Baustelle in der Nähe hat.“

Kerstin wurde hellhörig, denn Max hatte laufend auf Baustellen zu tun, auf denen auch Gerüste eingesetzt wurden. Sie zückte das Notizbuch aus ihrer Handtasche und kritzelte eine Erinnerung hinein. Mittlerweile trug sie das stabile Büchlein mit Ringheftung dauerhaft bei sich. Sie konnte ja nie wissen, wann eine wertvolle Information auftauchte. Seit sie das tat, war ihr Kopf freier, die Arbeit an Laras Wandelplan leichter.

„Füllt man das Hochbeet komplett mit Erde? Das ist doch ein teurer Spaß, oder?” Immerhin nahm so ein Hochbeet ein Volumen von zweihundert Litern auf.

„Ne, das füllt man nicht nur mit Erde“, erklärte Nadine ihr. „Nur die obersten dreißig Zentimeter sind Gartenerde. Darunter liegt gröberes Material wie Zweige und Laub.“

„Und dann kann man alles darin anpflanzen?“, fragte Kerstin.

„Wenn’s keine Bäume oder Sträucher sind: klar.“ Sie lächelte. „Wenn ihr alles richtig macht, dann könnt ihr bis zu zehn Monate lang euer eigenes Gemüse ernten. Sogar im Winter.“

„Was? Im Winter?” Kerstins Stimme war schrill geworden. Sie wusste ja, dass es einige Kohlsorten gab, die den Winterfrost sogar brauchten, doch ihr war nicht klar gewesen, dass sie wirklich das ganze Jahr über ernten konnten. Sie musste wirklich noch einiges über die Saison von Gemüse lernen.

„Rosenkohl und andere Kohlsorten machen sich gut im Winterbeet“, zählte Nadine auf. „Mit einem schützenden Dachaufsatz sind auch Salate und Lauch möglich.“

Allmählich fragte sich Kerstin ernsthaft, warum sie die ganzen sechs Jahre über, die sie in ihrem großen Haus lebten, den Garten direkt vor der Tür so ungenutzt gelassen hatten. Nie war ihr in den Sinn gekommen, ihn für mehr zu nutzen als zum Aufstellen des Grills oder dem Entspannen in der Sonne. Dabei zeigte ihr das „Stückchen Eden“, mit ähnlich begrenzter Fläche, was für unter- schiedliche Elemente darauf Platz hätten. Mit einem Mal entbrannte in ihrem Kopf ein Feuerwerk der Ideen. Sie sah vor ihrem geistigen Auge mehrere Hochbeete auf dem gestutzten Rasen, weitere Beete voller Paprika, Kürbis, Erbsen und Beeren. Ein kleiner Teich, der sich von einer leichten Anhöhe ein paar Stufen herabschlängelte. Kartof- feltürme, Kräuterschnecken und Bienenwiese. Sie wollte das alles – und noch mehr.

** Du hast das Ende dieser Leseprobe erreicht **

Weitere Informationen zur Buchreihe „Die Systemwandler“
findest Du auf www.isabelbatista.de/systemwandler

Das Taschenbuch kannst Du bei equbli, Thalia , Amazon und Hugendubel erhalten.

Schau außerdem gerne auf dem Blog von Isabel vorbei, wo sie einen wundervollen Artikel über uns veröffentlicht hat.

page19image3869010576