Unter Walnüssen wächst nichts? Die Walnuss-Lebensgemeinschaft im PoL

Gepostet am 03 Oktober 2021 von Peace ofLand

Ein Text von Ramos

Wenn das Gespräch auf Walnussbäume kommt, hört man oft den Satz: „Unter Walnüssen wächst ja nichts“.
Anlässlich der Gestaltung einer großen OLG (Obstbaumlebensgemeinschaft = Gilde) im Permakultur-Gemeinschaftsgarten „Peace of Land“ hatte ich die Gelegenheit, diesen Glaubensatz zu überprüfen.

Ausgangspunkt war ein Bereich des Geländes, an dem zwei Walnussbäume schon seit langem inmitten eines Hügels von großen Granit-Randsteinen standen. In der Nähe waren bei der Baumschulaktion an zwei Stellen Apfelbäume gepflanzt worden. Von den ursprünglich je vier Bäumchen war jeweils noch einer übriggeblieben (jeweils einer westlich und östlich der beiden Walnüsse). Südlich stand ein Sanddorn, westlich und nordwestlich Johannisbeeren. An dem Steinhaufen führte ein Weg entlang zur Streuobstwiese. Die Walnussbäume standen also ziemlich unbeachtet herum. Tatsächlich war schon öfter im Gespräch gewesen, sie von dort in die Wildniszone zu verpflanzen, oder wenigstens einen von ihnen, denn mit 1,5m Abstand standen diese Wildlinge auch recht dicht beieinander.  Aber die Zeit ging ins Land, und sie blieben wo sie waren.

Auf Yvonnes Anstoß hin begann ich einen Platz zu suchen um auf dem Gelände das Prinzip eines Waldgartens erklären zu können … und dabei fiel mir genau diese Konstellation erstmals so richtig auf: Walnussbäume können als hohe Bäume die oberste Schicht eines Waldgartens bilden, die Kronenschicht. Apfelbäume, speziell unsere Halbstämme sind ideal dazu passende Bäume für die Baumschicht, Johannisbeeren passen gut in die Strauchschicht, und dann würde sich sicher noch etwas finden für die Stauden- und Bodendeckerschicht. Und voilá – schon wäre ein prototypisches Waldgartensystem zu sehen. Ein bischen Arbeit war mit dem Umpflanzen noch zu tun, aber eigentlich war das wie bei Leonardos Marmor-Statue: die gewünschte Figur war in der Ausgangsmasse schon enthalten, sie musste nur freigelegt werden :).

Die Apfelbäumchen standen mit je ca 2m Abstand leider recht dicht an den Walnüssen, aber da es Halbstämme waren, würden sie zum einen nicht so sehr alt werden (Walnüsse können >100 Jahre alt werden, Halbstämme ca 20), und zum anderen würden sie relativ klein bleiben und sich unter die Walnüsse einordnen. Schlimstenfalls würde die Walnuss sie durch Ausschattung töten, aber das dann auch erst in einigen Jahren.
Im „Peace of Land“ müssen wir wegen der unsicheren Lage wegen unseres Mietvertrags mit einer nur 3-monatigen Kündigungsfrist leider immer damit rechnen, nur sehr begrenzte Zeit zu haben, bis unsere neu angelegten Biotope wieder zerstört werden. Weil zudem auch der Platz im Garten knapp ist, entschloss ich mich, die Bäumchen an ihrer Stelle zu lassen und nur den Weg ein wenig umzulegen. Nun war alles klar, und zum Abschluß stand  also nur noch die Pflanzenauswahl für Strauch- und Bodenschicht an, also für die Unterpflanzung der Bäume. Unter Apfelbäumen wächst ja viel (Erdbeeren, Knoblauch …), aber unter Walnüssen? Hier tauchte dann der genannte Glaubenssatz auf… Zunächst wurde ich leicht panisch: hatte ich doch bereits einen Workshoptermin angesetzt, um genau diese OLG (Obstbaumlebensgemeinschaft) gemeinsam praktisch umzusetzen. Hatte ich zuviel versprochen und das Vorhaben wäre gar nicht sinnvoll machbar??

Nun kann man sagen, dass in der Permakultur auch Rückschläge und Fehler als Erfahrungen positiv wertgeschätzt werden – aber mich ließ das Thema nicht los. Ich wollte, dass die Workshopteilnehmer fundiertes Wissen und natürlich auch Spaß am Ergebnis mitnehmen konnten, und mich interessierte natürlich auch, ob dieses „es wächst nichts“ absolut gemeint war oder ob sich – wie so oft im Leben – eben doch Lösungen aufzeigten.

Nach zwei Tagen intensiver Internetrecherche wußte ich: es stimmt, das Juglon der Walnüsse ist ein ein Wirkstoff, der wirksam dafür sorgt, dass Pflanzen unter Walnüssen nicht bzw. nicht gut wachsen. Betroffen ist der Bereich, der von der Walnuss durchwurzelt wird. Meine Vermutung: durch eine Änderung der Bodenchemie und darauf folgend des mikrobiellen Lebens wird der Boden so verändert, dass er unwirtlich wird. Die Liste der von diesem Phänomen betroffenen Pflanzen war lang, eine Din-A-4-Seite.

Allerdings stellte sich heraus, dass dies vor allem bei der amerikanischen schwarzen Walnuss der Fall ist (die hier verbreitete europäische Walnuss ist da weniger wirkmächtig) …und vor allem stellte sich heraus, dass es auch Arten gibt, die diesen Boden vertragen. Manche zeigen sich durch die Walnussausscheidungen beeinträchtigt: so wächst z.B. die Erdbeere schon unter Walnüssen, aber bildet wohl keine Früchte aus. Manche wachsen auch unbeeindruckt, z.B. Johannisbeeren und Rhabarber oder so wie Äpfel wenigstens mindestens 10 Jahre lang.
Die wirklich positive Überraschung war: die Liste von Pflanzen, die sehr wohl unter Walnüssen wächst, war mehr als doppelt so lang wie die Liste der nicht unter Walnuss wachsenden Arten.

Für manche Arten sind die Eigenschaften der Walnuss sogar besonders vorteilhaft: Walnüsse öffnen ihr Laub erst recht spät im Jahr (ca Anfang Mai), so dass darunter lange die Frühjahrssonne scheint. Das sind für Rhabarber, Waldmeister und Bärlauch ideale Bedingungen. Zumindest für die ersten beiden Arten hat sich das an der OLG im Peace of Land auch bewahrheitet – für Bärlauch war es wohl einfach zu trocken.

Auch den rund um die Bäume gesetzten Johannisbeeren geht es gut, und der als Puffer zwischen Äpfel und Walnüsse gesetzte Beinwell gedeiht prächtig. Die Walnussbäume haben in den zwei Sommern enorm an Vitalität gewonnen. Das kann natürlich auch daran liegen, dass wir ihren Wurzelbereich von einigen Schubkarren großer Steine befreit haben. Die Steine dienten gleich als schöne Umgrenzung der Fläche und reichten auch noch für eine kleine Steinmauer. Den Bereich füllten wir auch noch mit Muttererde auf, die wir in Hügel und Täler modellierten. Die Gestaltung entstand erst während des zweitägigen Workshops in einem Gruppenprozess. Das Ergebnis dieser gemeinschaftlichen Gestaltung ist bei weitem schöner und vielfältiger als wenn nur ein Mensch alleine daran gearbeitet hätte. Auch solche Erlebnisse (und Erkenntnisse) sind Ergebnisse der Möglichkeiten, die der Gemeinschaftsgarten „Peace of Land“ als Permakultur-Lernort anbietet. Peace of Land ist ein so in Berlin einzigartiger Ort, den es sich lohnt zu erhalten und zu unterstützen.